Auch ohne Anerkennung Fachkräfte aus dem Westbalkan einstellen?

A portrait of the author of the post, Bijan Sadighi, Managing Director of heidi

Bijan Sadighi (Geschäftsführer von heidi)
12. Juli 2024

A skilled technician installing a photovoltaic panel

Der Hintergrund

Der Fachkräftemangel stellt viele Unternehmen in Deutschland vor große Herausforderungen. Insbesondere in handwerklichen bzw. technischen Berufen, wie beispielsweise Elektroniker, wird es immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Um diesem Problem entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen ergriffen, darunter die unbefristete Verlängerung der sogenannten Westbalkanregelung. Die Regelung bietet Arbeitskräften aus dem Westbalkan einen vereinfachten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, bei dem auf die vollständige Anerkennung der Qualifikation verzichtet werden kann und eröffnet somit Unternehmen neue Möglichkeiten der nachhaltigen Personalgewinnung aus Drittstaaten.

Was ist die Westbalkanregelung?

Die Westbalkanregelung ist eine Sonderregelung im deutschen Einwanderungsrecht (§ 26 Abs. 2 BeschV), die es Staatsangehörigen aus sechs Westbalkanstaaten ermöglicht, unter erleichterten Bedingungen in Deutschland zu arbeiten. Diese Regelung gilt für folgende Länder:

  1. Albanien
  2. Bosnien und Herzegowina
  3. Kosovo
  4. Montenegro
  5. Nordmazedonien
  6. Serbien

Ein besonderer Vorteil der Westbalkanregelung ist, dass sie zur Einreise grundsätzlich keine Anerkennung der beruflichen Qualifikation in Deutschland voraussetzt und für jede Art der Beschäftigung gilt (mit Ausnahme reglementierter Berufe).

Ursprünglich war die Regelung bis Ende des Jahres 2023 befristet. Durch die jüngsten Reformen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wurde die Regelung jedoch entfristet und kann somit bis auf Weiteres in Anspruch genommen werden (Informationen zu weiteren Neuerungen im Rahmen der FEG-Reformen finden Sie bei Make it in Germany).

Ablauf der Einstellung mit Westbalkanregelung

Der Prozess der Arbeitsaufnahme über die Westbalkanregelung läuft gemäß § 26 Abs. 2 BeschV wie folgt ab:

  1. Konkretes Arbeitsplatzangebot: Der Arbeitgeber in Deutschland stellt ein verbindliches Arbeitsplatzangebot aus.
  2. Beantragung der Vorabzustimmung: Der Arbeitgeber muss zur Nutzung der Westbalkanregelung eine Vorabzustimmung (auch Zustimmung mit Vorrangprüfung genannt) bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen (§ 36 Abs. 3 BeschV).
  3. Prüfung der Vorabzustimmung: Die Bundesagentur für Arbeit prüft, ob für die freie Stelle kein bevorrechtigter Bewerber zur Verfügung steht. Bevorrechtige Bewerbe können in diesem Zusammenhang zum Beispiel arbeitssuchende Deutsche oder EU-Bürger sein. Weitere Voraussetzungen zur Erteilung der Vorabzustimmung sind nachfolgend aufgelistet.
  4. Visumsantrag: Nach Erteilung der Vorabzustimmung kann die ausländische Arbeitskraft bei der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsland ein Visum zur Einreise und Beschäftigungsaufnahme beantragen (eine Aufstellung erforderlicher Unterlagen, beispielweise bei der deutschen Botschaft in Pristina/Kosovo finden Sie hier). Dabei kann die Vorabzustimmung sowohl die Terminvergabe bei den Visumsstellen, als auch die Bearbeitung des Visumsantrags beschleunigen.
  5. Einreise und Arbeitsaufnahme: Nach Erhalt des Visums kann die Arbeitskraft nach Deutschland einreisen und die Arbeit aufnehmen.

Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Regelung

Für Arbeitgeber:

  1. Vorliegen eines Arbeitsvertrages oder eines verbindlichen Arbeitsplatzangebotes.
  2. Beschäftigungsbedingungen und Arbeitsentgelt müssen denen vergleichbarer deutscher Unternehmen und Stellen entsprechen.

Für Arbeitnehmer:

  1. Staatsangehörigkeit eines der sechs o.g. Westbalkanstaaten.
  2. Kein Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den letzten 24 Monaten.
  3. Für Arbeitskräfte über 45 Jahre: Mindestgehalt von 55% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (entspricht derzeit 49.830€) oder Nachweis einer angemessenen Altersversorgung.
  4. Sonstige visarechtliche Voraussetzungen, die individuell zu bestimmen sind.

Kontigentierung:

Die Westbalkanregelung ist auf ein jährliches Kontingent von 50.000 Zustimmungen durch die Bundesagentur für Arbeit begrenzt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für Arbeitgeber, eine Inanspruchnahme frühzeitig zu planen und das Verfahren rechtzeitig einzuleiten. Aktuelle Informationen über den Kontingentstand erhalten Sie auf der Seite der Bundesangentur für Arbeit.

Fazit: Attraktive Chance für den angespannten deutschen Arbeitsmarkt

Die Westbalkanregelung bietet deutschen Unternehmen eine vielversprechende Möglichkeit, dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Sie eröffnet Zugang zu motivierten Arbeitskräften und kann zur Diversifizierung und Stärkung der Belegschaft beitragen. In der Praxis bieten die Begrenzung der Regelung sowie organisatorischer Aufwand jedoch Hürden für Arbeitgeber. Für eine erfolgreiche Nutzung der Westbalkanregelung ist es deshalb wichtig, den Prozess sorgfältig zu planen, mögliche Herausforderungen zu antizipieren und geeignete Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Neben der Westbalkanregelung bieten weitere Initiativen wie beispielsweise die Berufserfahrenen-Regelung oder das beschleunigte Fachkräfteverfahren zusätzliche attraktive Möglichkeiten, Fachkräfte außerhalb der Westbalkanstaaten zu gewinnen.

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Häufig gestellte Fragen

01

Was ist die Westbalkanregelung und für welche Länder gilt sie?

Die Westbalkanregelung ermöglicht Arbeitskräften aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien einen vereinfachten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Sie gilt für nicht-reglementierte Beschäftigungen und erlaubt die Einreise ohne erforderliche Anerkennung der beruflichen Qualifikation.

02

Welche Voraussetzungen müssen Arbeitnehmer aus den Westbalkanstaaten erfüllen?

Arbeitnehmer müssen die Staatsangehörigkeit eines der sechs Westbalkanstaaten besitzen, in den letzten 24 Monaten keine Asylbewerberleistungen in Deutschland bezogen haben, und bei einem Alter über 45 Jahren ein bestimmtes Mindestgehalt oder eine angemessene Altersversorgung nachweisen.

03

Wie funktioniert das Verfahren der Vorabzustimmung und welche Vorteile bietet es?

Die Vorabzustimmung muss von Arbeitgebern als Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit vor der Visumsbeantragung eingeholt werden. Die Vorabzustimmung wird dabei für die Inanspruchnahme der Westbalkanregelung benötigt und beschleunigt das spätere Visumsverfahren.

04

Gibt es eine Begrenzung für die Anzahl der Arbeitskräfte über die Westbalkanregelung?

Ja, es gibt ein jährliches Kontingent von 50.000 Zustimmungen durch die Bundesagentur für Arbeit.

05

Ist die Westbalkanregelung befristet?

Ursprünglich war die Regelung bis Ende des Jahres 2023 befristet. Durch die jüngsten Reformen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wurde die Regelung jedoch entfristet und kann somit bis auf Weiteres in Anspruch genommen werden.